Geschwister Jordan

Adele, Adolf, Manfred und Helene Jordan sind Geschwister und alle Kinder von Otto Jordan und Pauline Jordan geb. Cahn. Die Familie lebte in der Altendorfer Straße 24, leider ist das Haus 2012 einem Brand zum Opfer gefallen, und heute erinnert nur noch eine Baulücke an vergangene Zeiten. Es gab insgesamt elf Geschwister, einige von ihnen sind im Holocaust umgekommen.

(c) Stolpersteine Einbeck.
Manfred Jordan. (c) Staatsarchiv Brüssel

Adele Jordan, geboren 1883 in Einbeck, zog nach vielen Stationen als Direktrice unter anderem in Mannheim, Dresden und Neuruppin wieder nach Einbeck und im Oktober 1933 in die Marktstraße 1-3 zu ihrem Bruder Manfred, geboren 1886 in Einbeck. Manfred Jordan praktizierte dort als Zahnarzt. Adele führte ihm den Haushalt. 1936 verkaufte er seine Zahnarztpraxis, und im gleichen Jahr zogen die Geschwister nach Hannover. Dort sollte vermutlich die Auswanderung nach England oder Amerika vorbereitet werden. Manfred Jordan konnte in Hannover als Vertretung in einer Zahnarztpraxis eines jüdischen Kollegen arbeiten und Geld für die Ausreise verdienen. Im November 1939 wurden noch alle Formalitäten für die Ausreise erledigt, es mussten alle Besitztümer aufgeführt werden, die bei der Ausreise ins Ausland mitgenommen werden sollten. So können wir heute nachvollziehen, welche Möbel und Haushaltsgegenstände vorhanden waren und auch jedes Kleidungsstück der Geschwister.

Am 30. Dezember 1939 gingen Manfred und Adele auf die Reise nach Brüssel, um von dort weiter reisen zu können. Sie wurden jedoch mit einem gefälschten belgischen Visum in dem Zug von Köln nach Brüssel aufgegriffen. Manfred Jordan erklärte, dass er die Visa von einem Freund in Hannover erhalten und 100 Reichsmark dafür gezahlt habe. Er und seine Schwester wurden zu einem Monat bzw. 15 Tagen Haft verurteilt und ihre Pässe einbehalten. Manfred ließ sich nach der Haft im jüdischem Melderegister in Brüssel registrieren, wie es Pflicht war. Im Konzentrationslager Breendonk wurde Manfred Jordan vom 23. September 1940 bis 15. November 1941 gefangen gehalten. Aus Briefen der Familie in England und Südafrika wissen wir, dass die Angehörigen bereits ab März 1940 verzweifelt versuchten, ein Land zu finden, in welches die Geschwister noch ausreisen könnten. Manfred hatte noch in Deutschland 1939 laut Aufstellung 3.500 Mark für einen Lift (Überseetransport) nach Amerika bezahlt. Im Februar 1942 ergeht die Nachricht, dass die gesamten Umzugsgüter in zwei Lifts und eine Kiste noch im Freihafen Bremen stehen würden, die dann eingezogen wurden.

Helene Jordan. Foto: privat/Familie

Adele wurde wegen Verstoßes gegen die Ausländerverordnungen und des Visa-Vergehens am 7. Februar 1940 zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt. Am 6. April 1940 bat Adele aus dem Lager St. André um die Rückgabe ihres Passes. Sie erklärte, dass sie nicht gewusst habe, dass das Visum nicht gültig war, sonst wäre sie nicht eingereist. Sie musste in dem Aufnahmezentrum St. André bleiben, andernfalls wäre sie nach Deutschland abgeschoben worden. Am 10. Mai 1940 besetzten die deutschen Truppen Belgien, die Niederlande und Frankreich und ordneten an, dass alle deutschen Frauen nach Gurs im Südwesten Frankreichs zu bringen waren. Wann genau Adele dorthin transportiert wurde, ist unklar. Im Juni 1941 spürte ihre Familie sie dort auf. Anfang 1940 wurden in Gurs deutsch-jüdische Flüchtlinge und führende Politiker der französischen Linken inhaftiert. Die Bedingungen im Lager waren schlecht, es war überfüllt und es mangelte es an Lebensmitteln, Wasser und Kleidung. Zwischen August 1942 und März 1943 wurden 3079 jüdische Gefangene aus Gurs Vertretern der Vichy-Regierung überstellt, die meisten von ihnen wurden nach Drancy überführt und von dort nach Auschwitz deportiert. Am 8. August 1942 befand sich Adele Jordan in dem Transport 18, Zug 901-13, von Gurs über Drancy nach Auschwitz. Der Zeitpunkt ihres Todes dort ist unbekannt.

Manfred Jordan wurde bei einer großen Razzia in Brüssel am 3. September 1942 zuhause verhaftet und in die Kaserne Dossin (Mechelen) eingeliefert. Zwischen dem 5. und 10. September wurden 392 Juden registriert. Unter der Nummer 144 steht Manfred Jordan in der Liste des Konvois IX und wurde am 12. September 1942 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Der Zeitpunkt seines Todes ist unbekannt.

Helene Jordan, geboren 1884 in Einbeck, arbeitete viele Jahre als Verkäuferin in Wiesbaden, Bremen, Hanau, Mannheim und München, zog dann zu ihren Geschwistern Manfred und Adele in die Marktstraße 1-3. Sie entschied sich 1935 klugerweise, nach Südafrika zu emigrieren, dort waren zwei weitere Schwestern mit Mitgliedern der jüdischen Familie Stern verheiratet, auch einige weitere Mitglieder der Familien Fels und Jordan waren dorthin ausgewandert. Sie starb 1945 im Alter von 61 Jahren ledig in Johannesburg.

(c) Stolpersteine Einbeck.
Adolf Jordan auf der für Juden vorgeschriebenen „Kennkarte“. Foto: Stadtarchiv Einbeck

Adolf Jordan, geboren 1881, zog nach dem Tod seines Vaters und der Heirat mit Frieda Plaut 1911 von dem alten Stammhaus der Jordan-Familie in der Altendorfer Straße 24 in die Stiftstraße 1, später in die Bismarckstraße 13. 1927 übernahm Adolf Jordan das Tabakgeschäft seiner Familie allein. Er besaß ein schönes Haus in der Bismarckstraße 4, in dem er mit seiner Familie von 1918 bis 1932 lebte. Die Familie trennte sich, ein Teil zog erst in die Bahnhofstraße 2, Adolfs Frau zog 1934 mit den kleineren Kindern in ihre Heimat nach Uelzen. Adolf Jordan wechselte dann mehrfach die Wohnungen, im August 1936 zog er in seine letzte Wohnung in der Marktstraße 11, bevor er im Januar 1939 gezwungen wurde, in die Tiedexer Straße 5 zu den Archenholds zu ziehen, wo eine Art „Judenhaus“ eingerichtet worden war.

Ein Jahr vorher, bei einem Besuch seiner Familie in Uelzen am 9. November 1938, wurde Adolf Jordan mit seinem ältesten Sohn Hans verhaftet und ins KZ Sachsenhausen gebracht. Vom 12. November bis zum 16. Dezember 1938 war er als Häftling 11023 dort registriert und wurde derart misshandelt, dass er gut ein Jahr später am 25. Januar 1940 in einem israelitischen Krankenhaus in Hannover an den Folgen starb. Sein Sohn Hans hatte bereits alle Ausreisepapiere für Südafrika zusammen und wurde deswegen aus der Haft entlassen. Er emigrierte Ende November 1938. Der Familie im Ausland waren Spätfolgen durch die Misshandlungen in Sachsenhausen bekannt. Auch für ihn hatten sie im August 1939 verzweifelt versucht, eine Erlaubnis zur Einreise nach Südafrika zu bekommen, es gelang nicht mehr.

Marktstraße 1-3.
Marktstraße 11.